„Ich habe dich noch nie in der Szene gesehen“, wagte Gale sich schließlich ein bisschen weiter vor und kam sich dabei verwegen vor. Sonst war er geradeheraus, aber hier ging es auch nicht um ein Sexdate, sondern um den Mann seiner Träume. „Du wärst mir aufgefallen.“
„Wäre ich das?“ Jesses Lächeln fiel keck aus, und die Grübchen waren zurück. „Ich muss auch ein wenig aufpassen“, erklärte er dann ernst. „Prinzipiell ist es mir egal, wer was über mich denkt, und hier ist es auch ein offenes Geheimnis, aber meine Familie weiß es nicht. Alteingesessene Juristenfamilie übrigens.“
„So?“
„Vincent Devraux. Das ist mein Vater.“
Ein Bezirksrichter. Gale kannte ihn. Einer von der liberalen Sorte.
„Er kommt mir nicht sehr homophob vor. Ich hatte dreimal mit ihm zu tun, und er hat immer für meinen jeweiligen Mandanten entschieden.“
Jesse hob die Schultern. „Dann kennst du ihn besser als ich. Wir reden nicht. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn einschätzen soll. Da ich mich gegen eine Juristenlaufbahn entschieden habe, wie man sieht“, er wies auf die Kamera, „und in meinem Beruf nicht sehr erfolgreich bin, bin ich ständig in Geldnot. Würde er mich rauswerfen und enterben, wäre ich obdachlos, pleite und hätte keine Aussicht darauf, jemals zu Geld zu kommen.“
Er sagte es in einem lockeren Ton, doch Gale konnte die Angst vor diesem Schritt darin mitschwingen hören. Vermutlich ging es nicht um die Wohnung oder das Geld, sondern darum, der Nächste zu sein, der von seiner Familie verstoßen wurde und allein zurückblieb.
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