Zum 11. September 2001 wurde schon viel geschrieben, weshalb ich es mir spare, zu erklären, wie es dazu kam oder was genau an dem Tag passierte. Entscheidender ist, wie er die amerikanische Öffentlichkeit und deren Alltag veränderte.
Gale und Jesse erleben den Tag in Band 4 und ahnen, dass ab da nichts mehr so sein wird wie vorher. Was auch der Fall war.
Abgesehen von Auswirkungen auf die Außenpolitik der USA – verschiedenste Kriege und dann ein schrittweiser Rückzug aus den „Angelegenheiten der Welt“, um sich wieder „auf die Heimat zu konzentrieren“ – wurde vor allem die Grundlage für Misstrauen, Verschwörungstheorien und Paranoia geschaffen.
Dies führte über die folgenden Jahrzehnte – natürlich unter Einbeziehung verschiedener anderer Ereignisse und Entwicklungen – zu der extremen Spaltung der Gesellschaft, die wir heute in den USA sehen und die sich zum Teil auch auf andere Länder auswirkt.
Was genau hat der 11. September damit zu tun?
Um alles aufzuführen, würde an dieser Stelle ausufern, doch, was man wissen muss, ist, dass viele Amerikaner ihrer Regierung zutiefst misstrauen. Dies wurde durch 9/11 insofern gestärkt, dass es einerseits den Verschwörungsmythos gab, die Regierung selbst (z. B. in Form der CIA) hätten die Anschläge inszeniert. Andererseits war die Öffentlichkeit über die Entscheidung, Krieg gegen Irak zu führen, gespalten, was sich vertiefte, als sich herausstellte, dass die Geheimdienstinformationen falsch waren. Seit dem Vietnamkrieg standen Teile der Bevölkerung ohnehin nicht mehr hinter Auslandseinsätzen, was den Graben zu den Patrioten weiter aufriss.
Es gibt tatsächlich diese beiden großen Lager – Republikaner und Demokraten – und so gut wie nichts dazwischen. Was die Republikaner anzurichten vermögen, hat man vor allem an Trump gesehen. Die Lage verbessert sich aber nicht, wenn die Demokraten an der Macht sind, wie wir an Obama gesehen haben und jetzt an Biden sehen. Das liegt nicht einmal so sehr an ihnen selbst, sondern vor allem am „Störfeuer“. Wenn man Gesetzesvorlagen nicht durchbringen kann, weil sie blockiert werden, kann man nicht das liefern, was man versprochen hat. Wenn man aber nicht das macht, was man versprochen hat, vertieft das die Gräben weiter.
Ich denke da zum Beispiel an Obama, der bei einem Treffen mit Eltern, die ihre Kinder bei einem Schulmassaker verloren hatten, ehrlich weinte, weil er die Verschärfung der Waffengesetze einfach nicht durchbringen konnte. Doch natürlich schafft das auch neues Misstrauen.
Für LGBTIQ* und andere vulnerable Gruppen ist das besonders schlecht, denn sie werden von den radikalen Strömungen immer zuerst geopfert. Sie sind also schuld daran, wenn das Land angegriffen wird oder Dinge nicht gut laufen – denn „Gott straft sie wegen ihrer Sündenhaftigkeit, und sie reißen dann alle mit ins Unglück“.
Tatsächlich hat sich der Ton gegenüber LGBTIQ* nach einer liberaleren Phase bis etwa 2015 immer weiter verschärft. Wobei die „liberalere Phase“ relativ ist und davon abhängt, wo in den USA man lebt.
2001 befanden Gale und Jesse sich dafür in jedem Fall im falschen Staat und waren chancenlos. Band 4 hat – ganz bewusst – einen bitteren Beigeschmack, weit weg von rosa Wölkchen und scheinbarer Toleranz. Dass Gales und Jesses schlimmste Feinde dabei ausgerechnet aus dem „eigenen Lager“ kommen, ist kein Zufall. Die Community war schon immer eine Illusion, denn queere Menschen sind nicht besser oder schlechter, nur weil sie queer sind.
Was nur beweist, dass queer sein etwas Angeborenes ist. Es wäre nie jemand auf die Idee gekommen, künstlich eine „Community“ heraufzubeschwören, wenn alle einfach das sein dürften, was sie eben sind.
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