Wenig später fanden Jesse und Gale sich im Charleston Polizeidepartment wieder. In Begleitung einiger Männer, die offenbar zum Club Speciale gehörten, einem Fetisch-Club, der halb legal im Untergrund agierte, und dort in ‚exponierter Position‘ erwischt worden waren, wie Jesse den Gesprächen entnommen hatte.
In der Eingangshalle ging es geschäftig zu. Telefone klingelten, Leute quatschten durcheinander, ständig kam und ging jemand. Die beiden Polizisten, die sie hergebracht hatten, begleiteten sie in den Wartebereich und blieben neben der unbequemen Holzbank stehen, auf die sie sich setzen mussten.
Einer nach dem anderen wurden die Verhafteten abgeholt und nach vorne zur Aufnahme geführt. Nervös blickte Jesse ihnen hinterher. Würde man sie jetzt wegen 16-15-120 anklagen?
„Tut mir leid“, sagte Gale, als alle anderen abgelenkt waren.
„Wieso?“, fragte Jesse. „Das hier ist nicht deine Schuld.“
„Doch. Wenn ich nicht in dieses Wespennest gestochert hätte …“
Jesse drehte sich leicht zu ihm. „Das ist Quatsch, und das weißt du auch. Warren hat das offenbar mit Absicht gemacht, und das hier ist einfach bloß Schikane.“
„Genau! Diskriminierung!“, rief einer der Männer aus dem Club Speciale, ein stämmiger Bär mit Harnisch und Käppi. Er hatte offenbar gehört, was Jesse gesagt hatte. „Die Angst des heterosexuellen Mannes vor der Freiheit, die ihn seine Macht kosten würde.“
„Was geht es euch an, was wir in unserer Freizeit machen?“, fragte sein Partner an einen der Polizisten gewandt. Er war sehr viel zierlicher, hatte lange, angeklebte Wimpern, trug glitzerndes Augen-Make-up, ein Halsband und eine Jacke, die lang genug war, um seinen freien Hintern zu verdecken, der aus einer Fick-mich-Hose ragte. „Wir sind erwachsen und wissen, was wir tun. Niemand kommt zu Schaden.“
Der Cop antwortete nicht und sah demonstrativ an ihm vorbei.
„Der Polizeichef ist neu“, sagte der Bär. „Der will sich wohl hinstellen und der Bevölkerung erzählen, dass er gegen verdorbene Subjekte vorgeht und für Recht und Ordnung sorgt.“
„Die Bevölkerung interessiert es doch gar nicht, was wir in irgendeiner Lagerhalle machen“, lamentierte sein Partner. „Das passiert weit weg von ihnen, außerhalb ihres Blickfelds.“
„Darum geht es nicht“, widersprach der Bär. „Sie versuchen, den Leuten einzureden, dass sie uns aus dem Verkehr ziehen müssen, damit wir uns nicht vermehren können.“
„Du meinst, wenn ich ihn anfasse, wird er schwul?“ Der Partner des Bären beugte sich vor und streckte eine Hand nach einem der Polizisten aus.
„Nicht!“ Der Bär hielt ihn zurück. „Sonst verhaftet er dich nicht bloß wegen Fickens, sondern auch noch wegen des Seuchenschutzgesetzes.“
„Wie schade“, näselte sein Partner und machte eine gezierte Handbewegung. „Ich hätte es mir gern mal von ihm besorgen lassen.“
Trotz ihrer misslichen Lage musste Jesse grinsen. Die beiden sollten eine eigene Sitcom haben.
Unruhig sah er dabei zu, wie Gale an den Tresen gerufen und dann mit anderen zum hinteren Ausgang der Eingangshalle geführt wurde. Also kamen sie in Arrest oder wurden verhört.
Er konnte nicht lange darüber nachdenken, denn auch er wurde dazu aufgefordert, an den Tresen zu treten.
„Weisen Sie sich aus“, forderte ein älterer, unfreundlicher Polizist ihn auf.
„Das habe ich vorhin schon …“
„Ist mir egal.“
„Ich habe nur meinen Führerschein dabei.“
„Reicht.“ Der Cop winkte ungeduldig, und Jesse kramte widerwillig zum zweiten Mal an diesem Abend seinen Führerschein aus der Hosentasche.
Der Polizist sah erst gleichgültig darauf und griff nach einem Kugelschreiber, wohl, um die Daten in ein Formular einzutragen. Dann blickte er auf. „Jesse Devraux? Sind Sie der Sohn von Richter Devraux?“
Oh, fuck!
Tja, wenn man versucht, vor der Familie geheim zu halten versucht, was man ist, geht das irgendwann schief …
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