Leseprobe Restaurant Row

Veröffentlicht am 17. März 2023 um 09:40

„Ich weiß, ich weiß.“ Faye hob abwehrend die Hände. „Also knallhart.“ Für einen Moment schwieg sie, sah dabei aber so aus, als wollte sie noch etwas sagen. Ein paar Mal setzte sie zum Reden an, brach jedoch stets ab.

„Willst du mich etwas Bestimmtes fragen?“, hakte Gale freundlich nach, um es ihr leichter zu machen.

„Schon eine Weile“, Faye errötete leicht, „aber ich weiß nicht wie.“

„Frag doch einfach. Ich werde schon nicht tot umfallen oder schreiend davonlaufen.“ Nach Hectors Geständnis heute konnte ihn sowieso nichts mehr erschrecken.

„Du bist ja LGBT-Anwalt …“, fing sie umständlich an. „Bist du dann auch …?“

„Schwul? Ja.“ Die nächste Person binnen kurzer Zeit, die ihm diese komische Frage stellte. Es gab eine Reihe heterosexueller LGBT-Unterstützer, aber warum die sich das als Spezialgebiet aussuchen sollten, erschloss sich ihm nicht.

„Es ist … Ich hatte nie viel Kontakt zu LGBT und auch sonst …“ Nervös strich Faye über ihre Aktentasche. „Ich habe mich in eine Rolle drängen lassen und … aber …“

Gale brauchte einen Moment, um zu kapieren, was sie sagen wollte. „Aber du bist lesbisch“, nahm er ihr das Coming Out ab, während sie in der Schlange ein Stück nach vorne rückten.

Faye blickte sich hektisch um, als befürchtete sie, jemand könnte ihn gehört haben, doch alle um sie herum waren mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt.

„Ich bin nicht daran gewöhnt, offen damit umzugehen“, entschuldigte sie sich gleich darauf.

„Das ist okay“, beruhigte er sie. „Erziehung, Moral und vor allem Religion machen es Menschen oft schwer, zu dem zu stehen, was sie sind. Unsere Gesellschaft ist Offenheit und Individualität noch immer nicht gewöhnt.“

„Ehrlich gesagt … Du bist der Erste, dem ich es erzählt habe“, gestand Faye mit gesenktem Kopf. „Nicht mal, weil …“ Sie holte tief Luft und schien sich innerlich selbst Mut zuzusprechen. „Es geht um Scarlett.“

„Um Scarlett?“ Für einen Moment irritiert sah er Faye an, ehe er schließlich schaltete. „Du magst sie?“

Jetzt errötete Faye wieder und biss sich auf die Unterlippe, ehe sie fragte: „Sie ist doch auch …?“

„Aber so was von“, versicherte Gale ihr. „Ich soll euch jetzt aber nicht verkuppeln, oder?“ Oh je! Er war in solchen Dingen unbeholfen und alles andere als gut.

„Ich weiß nicht, wie ich sie ansprechen soll“, erklärte Faye. „Wenn ich wüsste, wo sie abends gern hingeht oder was sie mag, sodass ich einen Anlass oder einen Treffpunkt hätte …“

Gale mochte nicht allzu viel über Scarlett wissen, aber eines dann doch mit Sicherheit: Sie hasste es, wenn sich jemand in ihre Angelegenheiten einmischte. „Ich weiß nicht, ob sie eine Stammkneipe oder so was hat.“ Woher auch? Was sollte er in einer Lesben-Bar? „Ich kann ja mal darüber nachdenken, ob es etwas gibt, wo ich euch einander unauffällig vorstellen könnte.“

„Das wäre super“, sagte Faye, jetzt erleichtert wirkend, und trat hinter die hüfthohe Tür zum Gerichtsbereich. Ihr Fall würde als nächster aufgerufen werden. „Und ja, irgendetwas Unauffälliges wäre gut.“

„Irgendetwas Unauffälliges“, stimmte Gale ihr zu. Besser war das. Sonst würde Scarlett ihn umbringen.

 

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