Nachlese: Folgen des Kolonialismus

Veröffentlicht am 17. April 2023 um 10:26

Stellt euch vor: Ein anderes Volk fällt in Europa ein, tötet ein paar Millionen Menschen, verschleppt ein paar Millionen in seine Heimat, reißt sämtliche Ressourcen und Produktionsanlagen an sich, in denen die Einheimischen als Sklaven schuften müssen. Es ist ihnen völlig egal, ob jemand Däne oder Italiener ist, sie treiben Leute zusammen, bringen sie an Orte, an denen sie arbeiten sollen, zerstören Kulturen, reißen Gruppen auseinander, die über Jahrtausende gewachsen sind. Sie drängen ihnen ihre Religion, Philosophie, Werte, Normen und Ansichten auf. Sie sagen, dass hellhäutige Menschen schlecht, böse, hässlich und minderwertig sind.

Als sie schließlich abziehen, hinterlassen sie verbrannte Erde. Dänen, die sich noch daran erinnern, dass sie Dänen sind, wollen Dänemark zurück. Da dort jetzt aber alle möglichen anderen Völker leben, entbrennen Bürgerkriege, was die Lage noch schlimmer macht. Der Kontinent kommt nicht zur Ruhe, ist um Jahrzehnte hinter dem her, was andere Völker „Zivilisation“ und „Wirtschaft“ nennen. Da nichts so richtig in Gang kommt, zahlen die ehemaligen Herren „Entwicklungshilfe“, die sich aber oft ein paar Machtgierige abzweigen und in die eigene Tasche stecken.

Die übrige Welt schaut mitleidig auf den Kontinent, hat aber auch keine Lust, sich wirklich darum zu kümmern. Und wehe, jemand von den „widerwärtigen Weißlingen“ will auf einen anderen Kontinent auswandern!

Die Leute, die verschleppt wurden, mussten dort über Generationen als Sklaven arbeiten. Irgendwann endet das, doch sie sind Bürger zweiter Klasse. Denn sie sind ja weiß und damit minderwertig. Zurück nach Europa können sie auch nicht, denn sie sind entwurzelt und haben keinen Bezug mehr dazu. Und welche Perspektive hätten sie da schon?

 

Das ist mit Afrika passiert.

 

Unsere heutigen Generationen haben dieses Problem nicht verursacht. Doch wir haben es geerbt. Wir haben uralte Vorurteile im Kopf, die dort über Generationen verankert wurden, und stehen dem, was unsere Vorfahren angerichtet haben, einigermaßen hilflos gegenüber.

Ich erinnere mich, dass wir in der Schule viermal Nationalsozialismus als Thema hatten, aber nur einmal ganz kurz Kolonialismus. Wir wissen also nicht mal besonders viel darüber und haben daher auch kein echtes „Schuldbewusstsein“.

Wobei ich den Weg der „Schuld“ in beiden Fällen für falsch halte. Ein schlechtes Gewissen hilft nicht beim Umdenken.

Wir müssen verstehen, was passiert ist. Warum es passiert ist. Daher ist Aufklärung unerlässlich. Das sollte aber nicht im Sinne von „ihr seid schuld“ passieren, wie es – zumindest zu meiner Schulzeit, und ich glaube, so viel hat sich nicht geändert – bisher der Fall war.

Vielmehr müssen wir verstehen und anders denken lernen. Bezeichnungen wie „People of Color“ helfen dabei wenig. Diskussionen über „kulturelle Aneignung“ auch nicht.

Die Feststellung, dass wir alle Afrikaner sind, schon eher. Unsere Vorfahren sind mal von dort ausgewandert und sind einer Hautveränderung anheimgefallen. Schwarz ist also natürlicher als weiß. Daher habe ich Gale sich auch so unwohl fühlen lassen - als einziges weißes Kind im Dorf. ER ist derjenige, der „anders“ ist. Dennoch sagt die weiße Gesellschaft ihm, dass er deswegen etwas Besonderes sei. Dabei hat er eine Hautanomalie und ist ein Albino.

Nelsons Problem, das in Band 7 ausgesprochen wird, mag nach der Ankündigung in Band 5 nicht so gravierend erscheinen, und doch ist es das. Und genau hier sollte unser Umdenken ansetzen. Wie wäre es für mich, wäre die Geschichte anders gelaufen?