Leseprobe Waterloo

Veröffentlicht am 10. März 2024 um 11:47

Über den Tisch griff Connor nach seiner Hand und drückte sie. „Kann ich dich als Freund ansehen? Auch nach all den Jahren? Und obwohl wir eigentlich nie Freunde waren? Es sollte wenigstens eine Person wissen, wo ich bin und was ich vorhabe.“

Gale musste das erst sacken lassen und den inneren Aufruhr niederringen, um Connor nicht anzuschreien. „Das hier soll also eine geheime Mission werden?“, fragte er schließlich. „Einer von uns beiden geht da rein und der andere passt auf? Und weil ich die Spinner eher umbringen würde, als ihnen glaubhaft vormachen zu können, ich wollte einer von ihnen werden, soll ich jetzt der im Auto sein, der dir über ein verstecktes Mikro beim Heucheln zuhört?“

„Das mit dem Mikro würde sich eher schwierig gestalten, aber ja, so etwas in der Art.“

„Zur Hölle, Connor!“ Gale hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl, erhob sich und ging unruhig im Raum auf und ab. „Wieso outest du dich nicht einfach und erklärst deinen Kollegen, dass es einen Zusammenhang zwischen den Fällen gibt?“

Jetzt wurde auch Connor emotional. „Du weißt genau, warum ich das nicht tue!“ Er schlug mit den Fäusten auf den Tisch. „Ich könnte dann nie wieder als Polizist arbeiten!“

„Jesse bringt mich um, wenn ich da mitmache! Er versucht alles, um mich von Ex-Gays fernzuhalten, weil die mich zu sehr aufregen.“

„Ich werde sicher keiner von denen! Dafür habe ich zu gern S*x mit Männern.“

Gale fuhr zu ihm herum und lachte sarkastisch. „Das weiß ich! Genau deshalb ist es so riskant! Auch wenn die sich einbilden, hetero zu sein, merken die immer noch, ob jemand so richtig schwul ist. Und du kannst vielleicht einem Teil deiner Kollegen etwas vormachen, aber niemandem mit Gay-Radar. Denn du bist so richtig schwul!“ Dann fragte er ruhiger: „Apropos Kollegen: Gibt es keinen einzigen unter ihnen, dem du vertraust?“

Connors Blick huschte unruhig zur Tür. „Die Frage ist nicht ernst gemeint, oder? Das hier ist eine Schlangengrube, und in den letzten acht Jahren ist es sogar noch schlimmer geworden. Bei der Polizei von South Carolina gibt es schon lange rechtsradikale Strömungen. Würde ich mich outen, könnte es passieren, dass die mich lynchen! Du müsstest mal hören, was die teilweise von sich geben!“

Leider stimmt das, räumte Gale gedanklich ein.

Seine Forderung war Blödsinn gewesen. Als der Sodomie-Paragraf noch gegolten hatte, hätte man Connor offiziell kündigen können, heute erledigten das radikale Kräfte durch Mobbing oder Schlimmeres.

„Was ist mit Detective Brown?“, fragte Gale, als ihm die Begegnung mit ihm im Fall Douglas einfiel.

„Was soll mit ihm sein?“

„Er ist auch heimlich schwul. Ihr könntet euch zusammentun.“

„Ist er?“ Connor schien das nicht gewusst zu haben. Dann schüttelte er den Kopf. „Selbst wenn, er würde sich nie auf so etwas einlassen. Er ist ein sehr vorsichtiger, verschlossener Mann.“ Er erhob sich und kam zu Gale. „Ich habe Angst. Vor dem, was passieren würde, wenn herauskäme, dass ich schwul bin. Ich weiß genau, wie das sein würde. Es ist keine Option, glaub mir. Ich habe Angst vor dem, was ich vorhabe. Aber es ist alles nichts gegen die Angst, die diese drei“, er wies auf die Akten auf dem Schreibtisch, „gehabt haben müssen, als sie festgestellt haben, wie das für sie enden wird!“

Gale raufte sich die Haare. „Ich bin kein Polizist, Connor. Trage die Informationen zusammen und schicke sie den zuständigen Ermittlern anonym!“

„Dafür brauche ich erst einmal ein paar Beweise!“

„Sobald sie wissen, dass es einen Zusammenhang gibt, können sie die selbst suchen!“

„Das ist im Moment viel zu dürftig. Ich brauche mehr. Ich werde es tun – ob mit oder ohne deine Hilfe!“

Gale konnte sehen, wie ernst er das meinte. Was ihn vor allem beunruhigte, war, dass es sich um blinden Aktionismus handelte. Denn ein Hinweis an die jeweiligen Ermittler würde sehr wohl ausreichen.

„Das ist irre! Was soll ich deiner Meinung nach tun, wenn ich merke, dass die Sache schiefläuft? Brown anrufen? Da reinstürmen und die Typen vermöbeln?“

Flehend rang Connor die Hände. „Mir geht es doch nur darum, nicht die nächste Leiche zu werden, die irgendwo gefunden wird!“

„Deshalb solltest du einen Plan haben!“, fuhr Gale ihn ungehalten an. „Dass ich in der Nähe warte oder so was. Damit ich eben doch Brown anrufen kann, falls ich glaube, die bringen dich um!“

„Es wird sich kaum an einem Nachmittag erledigen lassen“, fauchte Connor zurück. „Außerdem werden sie ihre Spitzel überall haben, sodass wir besser nicht zusammen gesehen werden. Denn wie bekommen die sonst raus, wer rückfällig wird?“

Einen Moment lang standen sie mitten im Büro und starrten einander an.

 

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